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Ich weiß noch ganz genau, als ich die Online-Bewerbung ausgefüllt habe. Ich hatte den Bewerbungsverlauf total unterschätzt. Kaum war die erste Zusage da, da kam auch schon die zweite und das Auswahlgespräch stand an, vor dem ich sehr aufgeregt war. Trotz hoher Konkurrenz war ich voller Hoffnung. Nach langem Warten kam die Zusage, dass ich in der letzten entscheidenden Runde bin. Unfassbar, dachte ich; genauso, wie als ich das Stipendium dann erhalten hatte. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht wirklich bewusst, was mich das nächste Jahr nun erwarten würde, aber eins war klar: Ich wollte einfach nur los!
Der Tag meiner Abreise war gekommen. Die Zeit dazwischen ist wie im Fluge vergangen: Eine Woche Vorbereitungsseminar in Würzburg, Gastfamilieninformationen bekommen, das erste Skype-Gespräch, und dann saß ich auch schon im Flieger mit all den anderen Stipendiaten, voller Vorfreude auf das bevorstehende Jahr. Als ich dann am Flughafen angekommen war, wurde ich herzlich von meiner Gastfamilie empfangen und wir fuhren zu meinem neuen Zuhause in West Monroe, Louisiana. Als Überraschung gab es einen Zwischenstopp an meiner zukünftigen High School. Ich war fasziniert, wie groß die Schule war. Die darauffolgenden Tage unternahmen wir noch viel und ich hatte mich schon an die neue Umgebung gewöhnt.
Meinen ersten Schultag hatte ich schon ein paar Tage nach meiner Ankunft, worauf ich sehr gespannt war. Alles war so fremd und neu. All die Gesichter, die ich zuvor noch nie gesehen habe, von denen ich aber viele bald zu meinen Freunden zählen konnte. Jeder kam mir sehr offen und interessiert vor. Daher dachte ich, dass es sehr einfach sein würde Freunde zu finden. Leider war dies doch nicht so leicht, wie ich es mir erhofft hatte. Ich hatte hier und da Bekannte, jedoch hatten alle schon ihre eigenen Freundeskreise. Als Austauschschüler ist man für viele im ersten Moment unglaublich interessant, muss sich dann aber selber aktiv ins Gespräch einbringen. Ich denke, dass dies auch einer der Gründe dafür war, dass ich recht früh Heimweh bekam. Nicht alles lief so, wie ich es mir erhofft hatte.
Doch nach jedem Tief kommt ein Hoch! Ich habe schließlich doch echte Freunde gefunden, die sich auch wirklich für mich interessierten und sich die Zeit nahmen. Anfangs musste ich mich überwinden, jedoch fiel es mir immer leichter, mich einzubringen, sodass enge Freundschaften entstanden sind.
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Als im November dann die Trump Rally für die kommende Wahl in meiner Stadt verkündet wurde, hatte ich mit meiner Gastfamilie die Chance dort hinzugehen, denn meine Gastfamilie gehörte zu den stolzen Republikanern im Süden von Amerika. Wir redeten über die Politik Amerikas und Deutschlands. Sie akzeptierten meine Meinung, so wie ich ihre akzeptierte. Für mich war es sehr augenöffnend. Ich redete auch mit vielen Mitschülern darüber, und es war total interessant, jedoch auch überraschend für sie. Ich erklärte ihnen von unserer Demokratie und unserem Sozialversicherungsstaat. Als ich dann während der International Education Week eine Präsentation über Deutschland in meiner Kunstklasse hielt, bekam ich sehr viele Rückfragen von meinen Mitschülern und war froh, einige Missverständnisse sowie Vorurteile über Deutschland aufklären zu können. Zu sehen, wie sich ab diesem Zeitpunkt immer mehr Mitschüler mit Deutschland auseinandersetzten, war ein tolles Gefühl. Ich wollte ihnen Deutschland näher bringen und nun kamen meine Mitschüler Tag für Tag auf mich zu und überraschten mich mit deutschen Sätzen oder mit deutschen Fakten, die sie selbst nachgelesen hatten.
Mir hat die Schule in Amerika sehr viel Spaß gemacht. Der “School Spirit”, die Football-Spiele und das ganze Miteinander waren einmalig. Ich spielte im Volleyball-Team meiner Schule, was eine komplett neue Sportart für mich war. Ich hatte trotzdem den größten Spaß, lernte neue Menschen kennen und konnte den Zusammenhalt miterleben, so wie man ihn aus den Filmen kennt. Wir sind zu Auswärtsspielen gegangen und hatten Heimspiele bis spät abends. Der Sport verbindet, vor allem weil man so viel Zeit damit verbringt. Wir hatten jeden Tag eine Stunde Volleyball als Schulfach, hatten regelmäßige Workouts und ansonsten auch noch zwei Stunden nach der Schule. Sport in den USA hat einen hohen Stellenwert und man wird auch von den Eltern und der Schule stark unterstützt. Zu einem gewissen Maße ist das sicherlich gut. Für das Können wird man mit diversen Stipendien belohnt, für das weiterführende College.
Ich merkte schnell, dass das Schulsystem nicht mit dem Schulsystem aus Deutschland zu vergleichen ist. Während es teilweise Kurse auf Universitätslevel gibt, die sogenannten AP-Klassen, in denen man besonders gefördert wird, gab es auch Kurse die auf die “No kid left behind” Initiative Rücksicht nahm und in denen der Unterricht einfach gestaltet wird. Ich habe gemerkt, wie stark das deutsche Schulsystem ist, aber es gibt auch Aspekte, in denen ich die amerikanische High School favorisiere.
Allgemein hat sich meine komplette Sichtweise auf die Welt und meine Umwelt verändert. Auf meiner Schule waren auch andere Austauschschüler. Sie kamen aus Mexiko, Spanien, den Niederlanden, Brasilien, Thailand, Vietnam und China. Darunter auch noch mehrere deutsche Stipendiaten. Wir waren immer eine bunt gemischte Gruppe, hatten immer viel Spaß außerhalb der Schule und lernten etwas über unseren Heimatländer. Wir hatten immer einander und es war gut, jemanden zu haben, mit dem man auch über die Tiefpunkte des Auslandsjahres sprechen konnte, wie das Heimweh oder das Vermissen von Gewohnheiten im Heimatland. Viel Zeit verbrachten wir auch bei unseren gemeinsam unternommenen Community Service Stunden. Während der Weihnachtszeit nahmen wir z.B. an der Weihnachtsparade unserer Stadt teil und hatten eine unvergessliche Zeit.
Meine Gastfamilie musste ich leider nach den ersten 3 Monaten wechseln, weil es doch nicht so gut passte, wie anfangs gedacht. Ich wurde dann von der Ansprechpartnerin meiner Organisation zu einer Gastfamilie gebracht, bei der ich allerdings aus gesundheitlichen Gründen leider nicht bleiben konnte. Nach fast 3 Wochen konnte ich dann bei meiner neuen Gastmutter einziehen. Der Gastvater einer anderen Austauschschülerin hatte sich erkundigt und schließlich war seine Mutter bereit mich aufzunehmen. Was das Ganze noch schöner machte: Nun war ich ein Teil einer großen Familie, bei der ich mich sehr wohl gefühlt habe. Manchmal müssen gewisse Dinge passieren, um danach die beste Zeit seines Lebens zu haben. Genauso war es bei mir. Es ging nur noch bergauf. Und da ich bei einer alleinstehenden Frau lebte, hatten wir viel Zeit füreinander. Zu Thanksgiving habe ich dann die komplette Familie kennengelernt, und alle wussten schon von mir Bescheid, bevor ich wusste wer sie sind. Die Gastfreundschaft und die Offenheit der Amerikaner ist bemerkenswert. Durch die ganzen Erfahrungen, die ich während des Gastfamilienwechsels gemacht habe, merkte ich, wie selbständig ich geworden bin und wie sehr ich dadurch gewachsen bin. Aufgeben war für mich keine Option, ich hatte schon so viel erreicht, da wäre es viel zu schade, nicht auch noch dafür zu kämpfen. Heute bin ich froh, diese Erfahrungen gemacht zu haben, denn nur so bin ich die Person geworden, die ich heute bin.
Als wir die Nachricht bekamen, dass wir aufgrund der Corona-Pandemie vorzeitig zurück nach Deutschland müssen, war ich gerade mit einer Gruppe von Austauschschülern in Hawaii. Am Montag der darauf folgenden Woche kam ich von meinem Trip zu Hause in Louisiana an, hatte am selben Tag meine Koffer gepackt und eine kleine Abschiedsfeier gefeiert. Am nächsten morgen hieß es auch schon Abschied nehmen und alles hinter mir zu lassen.
Mittlerweile bin ich nun seit 5 Monaten wieder zurück in Deutschland und hatte viel Zeit meine Erfahrungen in Amerika Revue passieren zu lassen. Anfangs war der Kulturschock in Deutschland angekommen zu sein größer als der von meiner Ankunft in Amerika.
Das Positive, das ich aus dem abrupten Abbruch meines Auslandaufenthaltes ziehe, ist, dass ich nun weiß, wie schnell alles, was man sich über eine gewisse Zeit aufgebaut hat, auf einmal vorbei sein kann. Diese Erfahrung hat mich zusätzlich nochmal sehr geprägt und verändert. Ich hatte eine wunderschöne und unbeschwerte Zeit in den Staaten und hätte es mir nicht besser vorstellen können. Ich habe tolle Freundschaften geschlossen, und könnte mich nicht glücklicher schätzen, auch eine zweite Familie und ein zweites Zuhause dazu gewonnen zu haben. Die Weise wie ich Deutschland, die USA oder internationale Ereignisse wahrnehme, hat sich komplett geändert. Ich weiß jetzt, was es heißt, sein Land zu repräsentieren und Botschafterin zu sein. Denn dadurch können wir beeinflussen, wie andere Länder uns sehen. Es ist eine Erfahrung, die mir keiner mehr nehmen kann!
Das Jahr hat mich als Person sehr geprägt, meine Erwartungen wurden übertroffen und ich habe Menschen kennengelernt, die ich nie vergessen werde. Aus diesem Grund kann ich jedem nur empfehlen, den Schritt in ein komplett neues Leben zu wagen, denn nur so hatte ich die Chance in eine Kultur einzutauchen, wie es als Tourist nie möglich gewesen wäre.