So ist es in England!
Hi,
Nachdem ich nun einige Zeit in England verbrachte habe, freue ich mich euch über meine ersten Eindrücke berichten zu können:
Anreise
Mein Flug ging am Sonntag, dem 28. August, um 11 Uhr von Hannover nach London Heathrow. Der Flug verging überraschend schnell. Schon nach gefühlt wenigen Minuten kam ein „Fluss“ in Sicht, den ich mit meinen Geographie-Kenntnissen für die Seine hielt, der sich aber letztendlich als Ärmel-Kanal herausstellte, auf dessen anderer Seite sich (ohne mich an Stereotypen bedienen zu wollen) eine große Wolkendecke befand.
Das erste Stückchen englische Landschaft, das ich zu sehen bekam, war eine (sogar aus der Luft) beeindruckende, von Klippen geprägte Küstenlandschaft. Weiter im Landesinneren waren weit auslaufende Felder aus der Luft zu erkennen. Ich hörte plötzlich ein Kind im Flugzeug „LONDON“ rufen und erkannte unter mir eine riesige Stadt und in der Ferne das London Eye und den Tower. Nah an diese Wahrzeichen kamen wir jedoch nicht, da das Flugzeug einen Bogen um die Stadt flog. So bekamen wir stattdessen einen Blick auf das Windsor Castle von oben.
In Heathrow angekommen, fuhr ich mit dem Zug nach Paddington, mit der Tube zur Victoria Station und von dort weiter mit dem Zug zur meiner Hostfamily. Hierbei war der Londoner Underground, gekennzeichnet von zahlreichen Treppen, eine besondere Hürde für jene Reisende, die ein Koffer mitzuschleppen hatten, der nahezu so groß ist wie man selbst, zu welchen ich mich zählen konnte. Glücklicherweise war nahezu immer jemand in der Nähe, der das Problem erkannt hat und meinen Koffer für mich schleppte 🙂 Meine Gastfamilie lebt in einer Kleinstadt in Kent ungefähr eine Stunde von London entfernt. Hier wurde ich sofort herzlich empfangen und beim gemeinsamen Abendbrot haben wir zahlreiche gemeinsame Interessen gefunden.
Erster Schultag
Drei Tage nach meiner Ankunft stand der erste Schultag an. Nachdem sich die gesamte Sixth Form (die 12. und 13. Klasse) im Common Room versammelt hatte, wurden wir in sogenannte Advisory Gruppen unterteilt, in denen wir unseren Stundenplan bekamen. Von nun treffen wir uns jeden Morgen in diesen Gruppen, um Organisatorisches zu besprechen und Motivationsreden zu erhalten, an denen es in englischen Schulen nicht fehlt … Aber dazu später mehr.
Nachdem wir also dort soweit alles besprochen hatten, gingen wir runter in den Saal, wo es eine große Rede der Sixth Form Leiterin gab, in der sie die Regeln an der Schule und ihre Erwartungen an die Schüler*innen erläuterte. Die wohl markanteste Regel hier ist der Dresscode. Eine Schuluniform gibt es in der Sixth Form nicht mehr, was aber noch lang keine Entscheidungsfreiheit im Thema Klamotten bedeutet. Das über jedem Outfit stehende Motto lautet: „Es muss so aussehen, dass man damit zum Bewerbungsgespräch gehen könnte“. In Folge dessen sind (tief Luft holen) Jogging Hosen, Jeans, Sneaker, Sportschuhe, Markenklamotten, Hackenschuhe, generell Schuhe, die nicht schwarz sind, Spagettiträger, bauchfreie Tops, tiefe Ausschnitte, bedruckte Oberteile und Röcke/Kleider, die kürzer als 10 cm überm Knie enden, verboten. Stattdessen herrscht eine allgemeine Blazerpflicht (die alle schätzen und lieben). Nach Ende der Rede begann der normale Schulalltag, der laut Gesetz bis 15 Uhr geht.
Alltag am einer englischen Schule
Die Schule beginnt um 8:30 Uhr mit der oben beschriebenen Advisory. Danach hat jeder ab 9 Uhr einen individuellen Stundenplan. In der Regel hat man an einer britischen Schule in der Sixth Form 3 bis 4 Fächer, jeweils mit zwei Lehrern. Diese Fächer hat man täglich gemeinsam mit 1 bis 2 Stunden zum Lernen.
Es gibt zwei große Pausen, jeweils nach zwei Unterrichtsstunden. Hier öffnet im Common Room ein kleiner Kiosk, in dem es Brote, Pommes und Kaffee gibt. (Besonders erstaunt war ich, als meine Gastmutter mir Chips zum Lunch eingepackt hatte, ich dachte es wäre etwas besonderes wegen des ersten Schultages und musste dann feststellen, dass alle in der Lunchpause Tag für Tag ihre Chipstüten auspackten.)
Einmal die Woche hat man zusätzlich ein Fach namens Character Development, in dem man mit Hilfe von Berufsberatung, Hilfe zur Verbesserung der Unibewerbung und Interview-Training auf die Uni oder das College vorbereitet wird. Dies spielt in der Sixth Form generell eine sehr große Rolle, da es unter englischen Schulen einen enormen Wettbewerb darum gibt, wer seine Schüler*innen an die besten Unis bekommt. Daher hängen in den Gängen dutzende Poster von Unis, nur ab und zu abgelöst von Bildern von ehemaligen Schüler*innen, unter denen dann so etwas steht wie: „Ich ging hier zur Schule und jetzt forsche ich nach Krebsmedikamenten“.
Dass die Schüler*innen viel lernen, ist dementsprechend sehr wichtig, weshalb der Schulleiter in den Study Periods (den Lernstunden) gerne durch die Gänge streift, um zu schauen, ob auch wirklich alle lernen und mögliche „Faule“ zur Rede zu stellen. Aber keine Panik! Diese strenge Hand hinsichtlich der Noten gibt es gegenüber den Austauschschüler*innen nicht. Eigentlich ist es vorgesehen, dass wir pro Fach je eine Stunde Hausaufgaben täglich haben, was bisher aber nie vorgekommen ist. Selbst ich als Nicht-Muttersprachlerin, die theoretisch mehr Zeit braucht als ihre Mitschüler, war immer schneller fertig.
Je nachdem von welcher Schule in Deutschland man kommt, kann man die englischen Schulen als digital sehr fortschrittlich betrachten. Google Classroom ist eines der wichtigsten Hilfsmittel hier. Hausaufgaben gelten nur als aufgegeben, wenn sie im Google Classroom hochgeladen werden. Zusätzlich ist die Tafel im englischen Unterricht zweitrangig, da sich die Lehrer*innen meist an Powerpoint Präsentationen bedienen, die nach dem Unterricht hochgeladenen werden. Dies bedeutet im Gegenzug, dass man von den Schüler*innen erwartet, den Unterricht nachzuarbeiten und vorzubereiten. Auch gerne genutzt sind Online-Quizze, bei denen man mit jeder richtigen Antwort Punkte sammelt, die dann zusammengezählt und (erneut) unter den Schulen verglichen werden.
Allgemein sind die Lehrer*innen sehr freundlich und aufgeschlossen und freuen sich über Austauschschüler*innen und deren Eindrücke. Da die Kurse immer sehr klein sind (maximal 15 Schüler*innen), ist der Unterricht sehr individuell.
Im Großen und Ganzen waren die ersten drei Wochen (wobei ich mich noch immer weigere zu glauben, dass es wirklich schon drei Wochen sind) voll von neuen Erfahrungen, Gedanken und Erlebnissen und ich freue mich, euch in den nächster Zeit von weiteren zu berichten.
Bis bald, Friederike