Unterschiede zwischen Irland und Deutschland

Seit 15 Wochen bin ich nun hier in New Ross und in dem Text, den ich heute verfassen werde, geht es um die zahlreichen kulturellen Unterschiede, die mir bisher zwischen meinem Leben in Deutschland und Irland aufgefallen sind.

Um das ganze aber ein bisschen übersichtlicher zu machen werde ich vorher ein paar Kategorien festlegen, unter die ich die Unterschiede einordnen werde, und zwar: Schule, Familienleben, Essen, Traditionen und ein bisschen was zum Thema Nachhaltigkeit, denn ich werde versuchen, die jeweiligen nachhaltigen Aspekte nicht aus den Augen zu verlieren.

Schule

Klar, hier fällt einem die Schuluniform direkt als Erstes ins Auge. Aber ich muss zugeben, eigentlich stört sie mich gar nicht. Vielleicht stimmt es sogar, dass die Uniform uns unvoreingenommener anderen gegenüber macht. Niemand wird hier durch seine Klamotten beurteilt oder gemobbt, und es gibt jedem die Chance seinen Mitschülern offen und objektiv gegenüberzutreten und sich ohne Vorurteile kennenzulernen.

In meiner irischen Schule ist der Frontalunterricht weitaus ausgeprägter als zuhause in Berlin. Meistens verläuft die Schulstunde so, dass die Lehrkraft eine PowerPoint Präsentation vorbereitet hat, welche man im Unterricht in seine Notizen überträgt. Während der Stunde trägt die Lehrkraft diese vor und geht zwischendurch vielleicht etwas detaillierter auf ein Unterthema ein oder weist die Schüler*innen darauf hin, dass etwas besonders häufig im Leaving Certificate vorkommt (irisches Abitur). Einerseits lässt diese Unterrichtsmethode wenig Platz für Diskussion, andererseits man kann sich so auch gut konzentrieren. Man weiß immer genau, was zu tun und zu wissen ist und lernt den Stoff effektiv und schnell.

Familienleben

Das Familienleben hat hier natürlich auch seine Unterschiede. Bei meiner Gastfamilie gibt es einen vollen Tagesablauf, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern. Meine Gastschwestern machen mehrere Sportarten, wie irisches Tanzen, „gaelic football“ und Fußball. Dazu kommen noch die Schulhausaufgaben und ab und zu auch Nachhilfestunden. Da bleibt nicht besonders viel Zeit um „nichts“ zu tun, auch am Wochenende. Und die Familie lebt auf dem Land, das heißt, dass die Eltern ihre Kinder überall hinfahren müssen, und sie deshalb auch nicht sehr viel Zeit für anderes haben.

Bei mir in Deutschland ist das ein ganzes Stück anders. Aber das ist wahrscheinlich von Familie zu Familie individuell, egal ob in Deutschland oder Irland. Und ich denke es tut mir wirklich gut gerade so zu leben. Besonders durch Corona und das Kurssystem der 11. Klasse hatte ich in Berlin nicht wirklich eine Routine. Hier gibt es Struktur und dadurch ist und fühlt man sich auch produktiver.

Ich wohne im Moment bei einer eher traditionellen Familie, die aus drei Töchtern, den Eltern und einer kleinen Hündin besteht. Sie sind sehr höflich, geordnet und ambitioniert.

Essen

Ich denke, diesen Aspekt habe ich vielleicht sogar schon einmal in einem Eintrag erwähnt, doch hier ist Kochen ganz anders als bei mir zu Hause. In meiner Gastfamilie sind das gemeinsame Familienessen und Kochen eher für besondere Anlässe gedacht wie Feiertage oder Sonntagsessen, und jeder isst eigentlich wann und wo er/sie will. Das kann ganz praktisch sein, vor allem wenn man mal Ruhe braucht oder eh noch etwas zu erledigen hat. Bei mir zuhause in Deutschland ist es eher normal, dass man zusammen isst, wenn man gerade zuhause ist, vor allem Abends. Aber irisches Essen ähnelt deutschem, „traditionellem“ Essen sehr, da die meisten Gerichte aus Fleisch, gekochten oder gebackenen Kartoffeln und Gemüse bestehen. Da ich aber Vegetarierin bin, mache ich mir oder bekomme ich meist etwas anderes. Die irische Esskultur geht hier also ein bisschen an mir vorbei, haha. Natürlich freue ich mich auch wieder auf das Essen in Berlin, denn dadurch, dass meine Familie zum Teil aus Marseille in Südfrankreich kommt, essen wir eher mediterran, was ich persönliche bevorzuge.

Traditionen

Auch bei den Weihnachtstraditionen gibt es viele kulturelle Unterschiede zu Deutschland. Der Nikolaus am 6. Dezember wird hier nicht wirklich gefeiert und heißt hier „Little Christmas“. Weihnachten wird am 25. anstatt am 24. Dezember zelebriert, deswegen gibt es die Geschenke auch einen Tag später. Meine Gastfamilie hat aber eine ziemlich süße Tradition, und zwar wird eine kleine Elfpuppe im Haus versteckt und wer sie findet, muss sie erneut verstecken. Den Kindern hat man, als sie kleiner waren, erzählt, der Elf passt auf, ob sie artig sind, um zu sehen, ob sie die Weihnachtsgeschenke auch verdienen. Eine andere Weihnachtstradition meiner Gastfamilie ist, dass sie jedes Jahr Anfang Dezember zur Oper in Wexford gehen, um sich dort eine Art Musical mit Weihnachtsliedern anschauen zu können. Dieses Jahr durfte ich mit und konnte sogar eine gute Freundin von mir mitbringen. Thalia und ich fanden die Show sehr sympathisch und haben uns sehr gefreut, dort zu sein.

Nachhaltigkeit

Das Erste, was mir aufgefallen ist, war natürlich das viele Autofahren, da ich in Berlin eigentlich immer nur die öffentlichen Verkehrsmittel und ab und zu das Fahrrad benutze. Aber ich muss auch zugeben, dass es hier wirklich schwierig oder sogar fast unmöglich ist, zu gehen oder Fahrrad zu fahren, da die Straßen für Autos gemacht wurden und dadurch gefährlich sein können und die Wege viel länger sind. Außerdem ist es ziemlich hügelig, und aus eigener Erfahrung muss ich sagen, dass das Radfahren hier ziemlich anstrengend werden kann. Und die Busse können auch nicht wirklich als Alternative gesehen werden, da sie nur selten fahren. Aber das ist dann wahrscheinlich auch einfach der Unterschied zwischen dem Stadtleben und dem Leben auf dem Dorf.

Da es in den meisten Kleinstädten nicht so ein großes Freizeitangebot gibt, gehen fast alle, egal welcher Altersklasse, in ihrer Freizeit oft shoppen. Hier ist das Shoppen in Secondhandläden aber leider eher unüblich und die einzigen Läden, die es gibt, sind Primark (hier „Penneys“) oder andere Fast-Fashion-Ketten. Viele Jugendliche bestellen auch sehr viel online, zum Beispiel bei Shein, ein Shop, der leider nicht besonders gut im moralischen und nachhaltigen Sinne ist … Leider wird auch der Müll hier nicht wirklich getrennt, und ich habe rausgefunden, dass es Pfand für Flaschen und Glas tatsächlich nicht überall gibt.

Obwohl die Nachhaltigkeitssituation vielleicht nicht ideal hier ist, gefällt mir mein Auslandshalbjahr jedoch sehr und ich habe auf jeden Fall das Gefühl, als Person weitergekommen zu sein.