Abschied von Amerika

Schon seit über 9 Monaten bin ich hier nun in Amerika und ich habe unheimlich viel erlebt. Ich habe mir hier ein ganzes Leben in einem Jahr aufgebaut, Freundschaften geschlossen, die hoffentlich mein ganzes Leben halten, einen Platz in einer Schule gefunden, die mir bevor doch so fremd schien und sich nun nach Zuhause anfühlt. Ich habe eine zweite Familie gefunden, in der ich nun fast ein ganzes Jahr gelebt, Erinnerungen geschaffen habe und der nun ein großer Teil meines Herzens gehört. Die Erfahrungen, die ich hier machen konnte, sind mehr als Gold wert und dieses Jahr war ziemlich sicher der erlebnisreichste Abschnitt meines Lebens bis her! Nun heißt es aber bald für mich Abschied nehmen und dann wieder in Deutschland ein neues Leben aufbauen.

Der letzte Schultag

Ich möchte hier nun über die letzten Wochen der Schule, und das bevorstehende Ende meines amerikanischen Lebens berichten. Ich hatte noch gar nicht realisiert, dass es alles schon zum Ende geht, bis zum lunch an unserem letzten offiziellen Schultag… Als mir und den anderen Austauschschülern plötzlich klar wurde, dass dies unser letzter gemeinsamer Schultag war, wurde es dann auch sehr emotional. In den letzten Wochen der Schule sind mir so viele Personen noch so viel mehr ans Herz gewachsen. Ich habe Freundschaften gestärkt und Leute näher kennengelernt, mit denen ich davor nicht viel Kontakt hatte. Um alle meine Freunde und Lehrer auch in Deutschland da zu haben, habe ich alle, die wollten, auf einer amerikanischen Flagge unterschreiben lassen. Die letzte Zeit in der Schule war für mich sehr sehr besonders! Ich habe bemerkt, wie viel mir meine Lehrer, Mitschüler, und einfach die Schule an sich bedeutet.

Die Graduation

Ein großes Abschluss-Event war natürlich die Graduation und andere Senior-Events in der Woche davor. Ich bin nachdem wir eigentlich schon nicht mehr zur Schule gehen mussten, trotzdem noch weiter zur Schule gegangen, da ich mich noch nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, mein Schulleben hier hinter mir zu lassen. (Austauschschüler werden bei mir in der Schule wie Seniors behandelt; diese sind früher mit der Schule fertig, als alle anderen.) In der Woche standen Senior-Events, wie der Classday (ein bisschen wie Graduation allerdings werden nur besondere Awards übergeben und Stipendien verkündet), und das Senior picnic.

Am Samstag stand dann die Graduation an: Es war eine sehr sehr schöne Erfahrung und doch war es ein echt trauriger Tag. Einige meiner Lehrer waren dort, ich habe mit meinem Chor ein letztes Mal gesungen, und einige meiner Freunde ein letztes Mal in den Arm genommen. Auch wenn es hart war, tat es gut sich noch ein letztes Mal zu sehen und zu verabschieden. Eine andere Sache, die mir auch sehr geholfen hat, war die Abschiedsfeier von zwei anderen Austauschschülern nach der Graduation. Da alle Austauschschüler eine ziemlich gleiche Freundesgruppe haben, konnten wir alle noch ein letztes Mal Zeit miteinander verbringen und uns voneinander verabschieden.

Abschied von Amerika

Ein allerletztes Mal bin ich dann noch am Montag nach der Graduation in die Schule gegangen. Ich hatte Bilder mit meinen Lehrern ausgedruckt, sie mit einer kleinen Nachricht auf der Rückseite versehen und diese ihnen dann als Abschiedsgeschenk überreicht. Hier in den USA ist das Schüler-Lehrer-Verhältnis deutlich enger, als in Deutschland. Meine Lehrer hier, sind mehr als nur Menschen, die mir etwas beibringen wollen, sondern sie haben mich viel mehr auf diesem Abenteuer begleitet, mich geprägt, sich für mich interessiert, und mir in all den schwierigeren Zeiten Halt und Support gegeben. Daher war auch der Abschied mit einer Umarmung von diesen unheimlich großartigen Personen, mit ein paar vielen Tränen begleitet, einer der bedeutendsten Momente für mich! Ich bin unendlich dankbar, für alle Lehrer, die ich hier hatte und neben Freunden und Familie, machen sie mir den Abschied extra schwer. Ich habe so viel von meinen Lehrern gelernt und das war nicht nur irgendein trockener Unterrichtsstoff… Diese Beziehung, die ich in diesem Jahr mit meinen Lehrern und Mitschülern errichten konnte, bedeutet mir sehr sehr viel!

Die letzte Zeit im Auslandsjahr ist immer etwas anders, als wir das davor gewohnt waren, und das ist total normal. Es ist eben extrem schwierig, sich von Menschen zu verabschieden, die einem unheimlich viel bedeuten, ohne überhaupt zu wissen, ob man sie je wieder sehen wird. Ich denke, es ist einfach sehr wichtig sich vor die Augen zu führen, dass diese Erinnerungen und Erfahrungen, die man hier als Austauschschüler machen konnte ganz einmalig sind. Nichts und Niemand kann Einem das wegnehmen. Egal, wie fern wir auch von unseren Liebsten entfernt sind, in unserem Herzen sind sie uns doch ganz nah.

Die Rückkehr nach Deutschland ist doch nicht so leicht…

Und nicht nur die Zeit hier endet, sondern ich muss jetzt auch in Deutschland wieder neu starten… Mir fällt das um nun mal ganz ehrlich zu sein, echt schwer… Ich glaube, darüber denken nie so Viele nach, aber das Leben, wie wir es vor unserem Auslandsjahr kannten, wird nicht das Gleiche sein, wenn wir zurückkommen. Freunde haben sich vielleicht entfernt, kein großes Interesse während des Jahres gezeigt und daher muss man sich möglicherweise ganz neue Freundschaften suchen. Vielleicht sieht das Familienleben anders aus, die Schule hat sich auch durch die Oberstufe etc. komplett verändert oder die Hobbys scheinen nicht mehr richtig zu passen. Alles das kann passieren und die Wahrscheinlichkeit, dass es passieren wird ist dazu auch noch sehr hoch. Aber, Gute Nachrichten: Bei so vielen Veränderungen, ist ein Neustart noch einfacher und außerdem, haben wir uns ja auch verändert.

Ich, zum Beispiel, habe in letzter Zeit immer wieder das Gefühl bekommen, nirgendwo so richtig hinzugehören. Mein Bruder (der 2014 ein Jahr in China verbracht hat) hat mir vor Kurzem geschrieben: „Es fühlt sich so an, als wäre man 2 mal 0% verwurzelt, weder zuhause noch im Ausland, dabei sind es eigentlich 2 mal 100%.“ Mir hat das echt irgendwie geholfen. Es ist total normal, dass man sich so fühlt. Im Ausland reden alle darüber, dass man ja bald geht und zuhause reden alle darüber, dass man ja bald wieder kommt und alle Erwartungen werden höher und höher geschrieben. Mir kommt es manchmal schon fast so vor, als ob alle um mich herum erwarten, dass ich einfach wieder nach Hause komme und alles normal ist. Oder dass ich einfach gehe und man ja trotzdem im Kontakt bleiben kann. Der Fakt ist nun aber, dass ich mittlerweile mehr als nur ein Zuhause habe. Kontakt halten schön und gut, aber der Fakt, dass ich mich nicht mehr mit meinen Lehrern unterhalten werde, nicht mehr mit meinem Gastbruder kämpfen oder meine Gastschwestern in den Arm nehmen kann, dass ich nicht mehr einfach so ein Gespräch mit meiner Gastmutter haben oder ein Film mit meinem Gastvater gucken kann, oder einfach ein Spiel mit meiner Gastfamilie spielen und mit Freunden abhängen kann… Es ist total normal sich auf beiden Seiten etwas komisch zu fühlen und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir uns da von niemandem stressen lassen.. Und wenn manˋs dann mal so sieht: Wir haben ein ganz Jahr irgendwo in einer vorher wildfremden Umgebung bei zuvor wildfremden Menschen gewohnt und jetzt ist es ein Zuhause geworden… Sorry, aber wenn mir irgendjemand erzählen möchte, dass ein Austauschschüler irgendwas nicht alleine hinbekommt, dann muss ich leider die Hoffnung an die Menschheit aufgeben…

Ende der Geschichte. An alle Austauschschüler da draußen: Genießt die restliche Zeit, lasst euch nicht Stressen, und nehmt euch alle Zeit, die ihr braucht! Ihr seid nicht alleine mit dem, was euch gerade passiert und auch wenn Erwartungen vielleicht höher, als der nächste Wolkenkratzer sind, lasst euch nicht unter Druck setzen! An alle anderen, gebt uns einfach etwas Zeit und dann werdet ihr schon sehen, wir haben mehr in einem Jahr gelernt, als in den letzten 3 Jahren Schule… 😉

Cheers,

Solvej